Von tief zu hoch: Stimmregister im Überblick

Stimmregister im Überblick

Bruststimme, Kopfstimme, Falsett, Pfeifregister … solche Begriffe begegnen dir früher oder später im Gesangsunterricht oder beim Selbststudium. In diesem Beitrag bekommst du einen Überblick über verschiedene Stimmregister und erfährst, wie sie im Gesangsunterricht häufig beschrieben werden.

Illustration eines Holzschubladenregals mit vier Fächern, beschriftet mit „M0“ bis „M3“. Aus der geöffneten M2-Schublade strömen leuchtende Musiknoten – Symbol für verschiedene Stimmregister.

Was genau sind eigentlich Stimmregister?

Stimmregister können dir helfen, deine Stimme klanglich, technisch und körperlich besser zu verstehen. Dabei gilt: Keine Stimme ist wie die andere. Klassisch ausgebildete Sänger:innen erleben bestimmte Töne ganz anders als Popsänger:innen. Und auch dein eigenes Stimmgefühl kann sich mit der Zeit verändern – je nachdem, wie du trainierst und worauf du dich fokussierst.

M0: Pulse Register

WAHRNEHMUNG: Klingt deine Stimme morgens krisselig oder brummig? Brumm in der tiefsten Lage – noch etwas tiefer – und du spürst das Pulse Register.

Was ist das Pulse Register und Vocal Fry?

Das Pulse Register ist das tiefste Stimmregister. Es liegt meist unterhalb deiner gewohnten Gesangsrange. Der Klang ist rau, brummig oder knackend – viele empfinden ihn als geerdet und entspannt.

Vocal Fry wird häufig als Synonym verwendet. Genauer gesagt beschreibt dieser Begriff eher die Art der Stimmlippenschwingung: langsam, knisternd, mit wenig Luft und Druck – spürbar im Hals oder Rachen. Genau deshalb kann der Vocal Fry auch in der Stimmrehabilitation oder zur Entspannung der Stimme eingesetzt werden.

Was passiert im Kehlkopf?
  • Die Stimmlippen sind kurz, dick und eher schlaff.
  • Sie schwingen nur im vorderen Bereich.
  • Die Bewegung besteht aus einzelnen Impulsen – nicht aus einer fließenden Wellenform.
  • Der Öffnungsquotient ist sehr klein: Die Stimmlippen bleiben lange geschlossen.
Lachender junger Mensch in Fast-Food-Uniform beim Frittieren, singt gleichzeitig in tiefer Lage – symbolisch für Vocal Fry bzw. das Pulse Register (M0) mit knisterndem, brummigem Klang.
Tipp zum Ausprobieren
Teste Vocal Fry nicht nur in der Tiefe, sondern auch beim Aufsteigen in die Höhe. So lernst du, die Masse der Stimmlippen besser zu kontrollieren.

Bruststimme trifft auf Kopfstimme

WAHRNEHMUNG: Lege eine Hand auf deinen Brustkorb und singe ein „A“ in deiner Sprechstimmlage – oder rufe laut: „HEY!“. Spürst du, wie es unter deiner Hand vibriert? Jetzt probier ein hohes „Whoohoo“ aus – merkst du, was sich verändert?

Der Bereich, in dem du die Vibration in der Brust spürst, wird oft Bruststimme genannt und der Klang, den du eher „im Kopf“ wahrnimmst Kopfstimme.

Frau beim Singen mit den Händen auf der Brust – Wahrnehmung der Vibrationen in der Bruststimme.

M1: Bruststimme

Du nutzt sie im Alltag beim kräftigen Sprechen, Rufen oder Singen. Wird sie zu hoch oder zu laut eingesetzt, kann sie ins „Grölen“ kippen oder plötzlich abbrechen.

Auch im Gesang lässt sich die Bruststimme in mittleren Höhen einsetzen – am besten gut dosiert, um die Stimme nicht zu überlasten und ungewollte „Stimmbrüche“ zu vermeiden, wenn du noch höher singen möchtest.“

Was passiert im Kehlkopf?
  • Dominanter Muskel: M. thyroarytenoideus
  • Stimmlippen: kurz, dick
  • Schwingung: auf voller Breite
  • Phasenverhältnis: Die Stimmlippen sind länger geschlossen als offen
  • Klang: voll, tief, kräftig

M2: Kopfstimme

Die Kopfstimme klingt leicht und hell, aber sie ist keineswegs nur für hohe Töne da. Auch in der Tiefe lässt sich damit singen: mit weniger Masse, weniger Druck und weniger Brustresonanz.

Die Gesangspädagogin Martienssen-Lohmann nannte sie auch „Randstimme“. Warum? Weil beim Singen in M2 nur die Ränder der Stimmlippen schwingen. Das macht sie besonders beweglich, flexibel und somit besonders effizient.

Was passiert im Kehlkopf?
  • Dominanter Muskel: M. cricothyroideus
  • Stimmlippen: lang, dünn gespannt
  • Schwingung: wenig Masse
  • Phasenverhältnis: Öffnungsphase ist länger als Schließphase
  • Klang: leicht, weich, oft sogar „luftig“
Kind singt in hoher Tonlage mit einer Hand auf dem Kopf – Wahrnehmungsübung zur Erkundung der Kopfstimme im Gesangsunterricht.

M2: Falsett

Das Falsett ist eine luftige, helle Stimmgebung, die man häufig in Popballaden oder im klassischen Gesang hört. Es klingt weich, durchlässig, manchmal sogar fragil. Viele setzen es gezielt ein, um Zartheit oder Emotionalität zu unterstreichen.

Falsett wird oft mit der Kopfstimme gleichgesetzt, unterscheidet sich aber in Klang und Funktion: Die Stimmlippen schließen nur teilweise – der Ton wirkt dadurch luftiger und weniger tragfähig. Manchmal wird das Falsett deshalb auch als „Randstimme mit weniger Masse“ bezeichnet.

Kultur & Popmusik: Falsett kann berühren

In der Popmusik wird das Falsett oft mit Verletzlichkeit und Androgynität assoziiert. Sam Smith nutzt es in „Stay with Me“ für emotionale Höhepunkte. In der K-Pop-Szene gilt es als Stilmittel für Intimität – zum Beispiel bei Jimin & Ha Sungwoon in „With You“.

Eine US-Studie zeigte sogar, dass Songs mit Falsett statistisch erfolgreicher in den Charts sind.

Du willst das Falsett mal in einem anderen Genre hören? Dann hör dir einen Countertenor wie Philippe Jaroussky an – ein ganz anderes Klangbild, aber derselbe Modus.

Die Gesangspädagogen Husler und Rodd-Marling unterscheiden zwei Formen des Falsetts:

Gestützes vs. ungestützes Falsett

Kollabiertes Falsett

Klingt leise, instabil und oft etwas brüchig. Es ist schwer kontrollierbar, der Klang „fällt in sich zusammen“.

Cartoonartige Szene: Zwei Jugendliche schauen erschrocken zu, wie ein Holzturm einstürzt – humorvolle Metapher für ein kollabiertes Falsett mit instabiler Stimmgebung.

Gestütztes Falsett

Hier arbeiten zusätzlich äußere Kehlkopfmuskeln mit. Das sorgt für mehr Kontrollemehr Klang und erleichtert den Übergang zur Vollstimme.

Eine Frau im blauen Onesie überlegt, ob es ein weibliches Falsetto gibt oder ob nur Männer eines haben können.

Auch bei Frauen ist manchmal vom Falsett die Rede, vor allem dann, wenn der Klang besonders luftig oder hauchig wirkt.

Aber auch wenn das sogenannte „weibliche Falsett“ dem männlichen klanglich ähnelt, wird in der Fachliteratur auf muskuläre Unterschiede hingewiesen. Sie gelten als möglicher Grund, warum das männliche Falsett als eigenes Register betrachtet wird – bei Frauen jedoch nicht.

Statt es als eigenständiges Register zu sehen, wird das „weibliche Falsett“ daher oft eher als stilistisches Mittel innerhalb einer weich geführten Kopfstimme verstanden.

M3: Flageolett oder Whistle Voice

Ob man diesen sehr hohen Bereich der menschlichen Stimme als Flageolett oder Whistle Voice bezeichnet, ist nicht eindeutig. Selbst Fachleute nutzen die Begriffe unterschiedlich.

Donald Miller macht keinen Unterschied. Für ihn beschreiben beide Begriffe dasselbe Register – es tritt dann ein, wenn die Grundfrequenz so hoch ist, dass der Kehlkopf nicht weiter steigen und der Rachenraum nicht weiter verkleinert werden kann. Die Stimme passt sich an: Formanten überlagern sich, der Vokaltrakt verändert sich. Das Ergebnis ist ein klarer, fast pfeifender Klang.

Justin Stoney hingegen unterscheidet klar: Für ihn ist das Flageolett ein eigenes Register oberhalb der Kopfstimme. Die Stimmlippen sind dabei stark gespannt, haben kaum Kontakt – der Öffnungsquotient ist hoch.

Cartoonartige Sängerin trifft einen sehr hohen Ton auf der Bühne – Metapher für die Whistle Voice oder das Flageolett-Register. Der Titel „Whistle and Shine“ unterstreicht den pfeifenden Klangcharakter.
WAHRNEHMUNG: Kannst du durch die Zähne oder mit den Lippen pfeifen? Spürst du dabei kaum Vibration im Körper? Genau so fühlt sich die Whistle Voice an: wenig Körperschwingung, dafür ein sehr hoher, klarer Klang – fast wie ein Pfeifton.
Was passiert im Kehlkopf?

Die Stimmlippen sind geschlossen, und nur ein Teil von ihnen vibriert. Man vermutet, dass ein Luftwirbel-Effekt die Stimmlippen in Schwingung versetzt.

Laut Justin Stoney entstehen zwischen den stark gespannten Stimmlippen winzige Öffnungen. Die Luft strömt hindurch und erzeugt diesen pfeifenden, extrem hohen, hellen Ton.

Pfeiftöne sind selten – aber eindrucksvoll.

Nicht jeder Mensch kann im Pfeiffregister singen. In der Klassik kommen sie vereinzelt bei sehr hohen Soprantönen vor. In der Popmusik sind sie eher ein stilistischer Effekt – 🎵 eine „Cherry on top“. Sängerinnen wie Mariah Carey oder Ariana Grande setzen diese flötenhaften Klänge gezielt ein – meist im Bereich von 1.000 bis 1.600 Hz.

RABBIT HOLE

Die Rufe der in Deutschland lebenden Fledermäuse liegen in einem Frequenzbereich von etwa 20.000 bis 140.000 Hz – also weit oberhalb dessen, was wir Menschen hören können. Unser Gehör nimmt in der Regel nur Frequenzen bis etwa 18.000 Hz wahr. Deshalb bleibt ihr Ultraschall für uns lautlos.

Illustration einer rufenden Fledermaus mit weit geöffnetem Maul und riesigen Ohren. Über ihr steht: „High! Higher! FLAGEOLETT!“ – eine humorvolle Anspielung auf die extrem hohen Töne der Whistle Voice.

Abschließend lässt sich sagen: Ob ein Ton einem bestimmten Register zugeordnet wird, hängt unter anderem von der Spannung der Stimmlippen, ihrem Schwingungsverhalten und der Anpassung der Resonanzräume ab. Diese Zusammenhänge wirken zunächst komplex, bilden aber die Grundlage, Übergänge zwischen Registern bewusster wahrzunehmen und gezielt zu gestalten

Tipp: Achte beim Üben bewusst auf Veränderungen in Klang und Körpergefühl. Wie klingt deine Stimme in verschiedenen Lagen? Wie fühlt sich das an? Wenn du eigene Worte dafür findest, kannst du deine Stimme besser verstehen und gezielter damit arbeiten.
Glühbirne springt Seil und singt... "Zeit fürs Gesangstraining"

QUELLEN:


  • Stoney, Justin: „Sing like never before“, 2020, S. 113ff.
  • Miller, Donald: „Registers in Singing“, 2000.